Landwirtschaft
In Diskussion & Bearbeitung
Biodiversitätsstärkungsgesetz (siehe Link)
Die gesetzlichen Änderungen gehen auf die Eckpunkte der Landesregierung zum Schutz der Insekten in Baden-Württemberg zur Weiterentwicklung des Gesetzesentwurfs der Initiatoren des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ zurück. Die Landesregierung hat die Forderungen der Initiative sowie die Forderungen im Volksantrag „Gemeinsam unsere Umwelt schützen“ in weiten Teilen übernommen und zusätzliche Maßnahmen für verschiedene Felder des gesellschaftlichen Lebens eingefügt.
Wesentliche Punkte des Gesetzes zur Änderung des Naturschutzgesetzes und des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes (kurz: Biodiversitätsstärkungsgesetz) sind:
- Ausbau des Anteils der ökologischen Landwirtschaft auf 30 bis 40 Prozent bis zum Jahr 2030. Der Ausbau der Produktion soll dabei ohne Marktverwerfungen stattfinden, was eine gleichzeitige Anpassung der Nachfrage bedeutet
- Reduktion der Menge chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel um 40 bis 50 Prozent bis 2030
- Erarbeitung von über das Bundesrecht hinausgehenden landesspezifischen Vorgaben zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Integrierten Produktion
- Umsetzung des Verbots von Pestiziden in Naturschutzgebieten und Einhaltung zusätzlicher landesspezifischer Vorgaben neben den allgemeinen Grundsätzen zum Integrierten Pflanzenschutz in der Landwirtschaft in den übrigen Schutzgebieten
- Schaffung von Refugialflächen auf 10 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen
- Schutz landwirtschaftlicher Flächen
- Erhalt von Streuobstbeständen
- Aufbau eines landesweiten Biotopverbunds auf 15 Prozent der Landesfläche bis 2030
- Ausgleichskataster
- Verbot von Schottergärten auf Privatgrundstücken
- Minimierung der Lichtverschmutzung
Mit diesem Gesetz ist klar, dass das der Schutz und der Erhalt der Artenvielfalt eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung darstellt:
Das Thema Landwirtschaft ist für uns ein neues Thema: Wir haben Lösungsansätze für das Privatgrün, das öffentliche Grün und für Natur & Wirtschaft aufgezeigt. Wir haben positive Pilotprojekte mit Bürgerbeteiligung durchgeführt und gezeigt, dass mit wenig Aufwand viel für die Biodiversität getan werden kann. Da aber diese 3 Lebensbereiche in Rickenbach mit insgesamt nur 6% der Landesfläche zu Buche schlägt, müssen wir uns nun die anderen 94% genauer anschauen. Aus diesem Grund werden wir uns nun verstärkt mit Landwirtschaft und Wald beschäftigen.
Wir wollen wissen warum es nicht läuft oder warum es so langsam geht und was der einzelne Landwirt bzw. Waldbesitzer in Bezug auf Artenvielfalt tun kann.
Da ich weder Landbesitzer noch Waldbesitzer bin, kann die Auseinandersetzung mit diesem Thema nur theoretisch erfolgen, im Dialog mit Landwirten vor Ort.
An dieser Stelle möchte ich Markus Uhlenbrock-Ehnes von der BIOLAND Gemüsegärtnerei Eulenhof zitieren. Landbesitzer sind priviligiert, d.h. sie haben Land, welches sie eigenverantwortlich bewirtschaften, dass setzt voraus das dies so nachhaltig gemacht wird, dass auch zukünftige Generationen die Böden noch verwenden können. Wir müssen mehr und mehr zu einem nachhaltigen Kreislaufsystem kommen.
Die Ursachen für das Artensterben in der Landwirtschaft sind bekannt und mittels Ursachenanalyse unten als Bild dargestellt. Die Zusammenfassung zeigt, dass die Intensivierung der Landwirtschaft zu einer Struktur-Armut in allen Bereichen geführt hat und so die Landschaft ausgeräumt und homogener/langweiliger gemacht wurde.
Der Schwarzwaldverein hat sich zum Ziel gesetzt die Kulturlandschaft zu erhalten, d.h. wir müssen es schaffen, dass wir unsere Mittelgebirgs-Region davor bewahren, die Landwirtschaft weiter zu intensivieren, ansonsten werden wir UNSERE Heimat in ein paar Jahren schon nicht mehr wieder erkennen. Es muss das Ziel sein die Kleinbauern zu fördern durch z.B. regionale Vermarktung und vor allem im Bereich Bioqualität, denn nur so ist ein dauerhaftes Auskommen meiner Meinung zu erreichen. Ich kaufe seit Jahren nur noch Bioqualität ein, da dies der beste Naturschutz ist.
In Rickenbach geht es überwiegend um das sogenannte Grünland, welches aus Heuwiesen und Weiden besteht. Ich lese gerade das Buch "Die Wiese - Lockruf in eine geheimnisvolle Welt" von Jan Haft, dies kann ich zur Einleitung zu diesem Thema nur empfehlen. Auf der anderen Seite kann man nur schützen, was man kennt. Und hier hat mir Peter Lutz vom Hauptverein auf die kleine Wiesenfibel von Ralf Worm aufmerksam gemacht. Dort sind Blumen und Gräser des Grünlandes aufgeführt. Ein MUSS wenn man Wiesen verstehen und kennen lernen möchte. Die neueste Auflage kann als kleines Büchlein im Fachhandel bestellt werden. Die Wiesen beherbergen ca. 1200 Pflanzenarten, das ist ein drittel aller Arten und ca. 3000 Tiere leben in der Wiese. Also höchst relevant. In BW gibt es die meisten Blumenwiesen, also haben wir eine besondere Verantwortung. Von den artenreichen Wiesen sind nur noch 2% erhalten!
Desweiteren möchte ich auf die Abhandlungen von Prof. Dr. Gustav Oberholzer bzgl. bayerischen Volksbegehren aufmerksam machen (s. Referenzen Teil 1-3). Ich habe mal die jeweiligen Zusammenfassungen unten abgebildet. Übrigens Herr Prof. Dr. Gustav Oberholzer ist über 80 Jahre alt und war früher in Säckingen für Flubereinigungen mitverantwortlich und hat sich als Heimatforscher (z.B. zur Wallmauer) verdient gemacht.
Im Teil 2 bringt er einen Vorschlag für einen grundsätzlichen Wandel dem ich folgen kann:
Das Sterben der Natur hat dramatische Ausmaße angenommen und es ist keine Zeit mehr zu verlieren, einen durchgreifenden schnellen Wandel herbeizuführen. Es bringt nicht viel, die bisherigen jahrzehntelangen Bemühungen noch einmal aufzuzählen und durchzudenken. Sie waren alle zu kleinmütig in der Hoffnung, es werde schon gut gehen. Es war ein Verschließen der Augen vor den großen Herausforderungen der Zukunft, denen nicht mit bloßem Reparaturverhalten zu begegnen ist, sondern nur mit einem rigorosen Umsteuern. Das Jammern angesichts des eingetretenen Debakels ist groß und, wie so üblich, stellt man Forderungen an die Entscheidungsträger: eine Ausweitung des ökologischen Landbaus, mehr Biotope und ihre Vernetzung, Änderung des Konsumverhaltens, Aufklärung in den Schulen usw., alles Maßnahmen, nach denen schon lange gerufen wird, doch mit wenig Resonanz. Es herrscht eine gewisse Ratlosigkeit, was nun wirksam und schnell zu tun sei. Darauf zu warten, bis sich die Verhaltensmuster der Gesellschaft grundsätzlich ändern werden, ist ziemlich hoffnungslos!
Deshalb haben sich die Autoren die Aufgabe gestellt, eine Konzeption zu finden, wie schnelles und wirksames Handeln in Gang gesetzt werden könnte, um unsere devastierten Agrarlandschaften wieder in Kulturlandschaften umzuwandeln. Nachfolgend wird dieser Vorschlag vorgestellt:
1. 10 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) eines jeden Landwirts werden aus der landwirtschaftlichen Produktion herausgenommen und voll und ganz der Natur gewidmet.
2. Jeder Landwirt wählt freiwillig selbst aus, welche Eigentums- und Pachtflächen er stilllegen will. Er wird sich voraussichtlich für das Land mit der geringsten Ertragsfähigkeit entscheiden, und das ist wiederum zumeist das bestgeeignetste für die Revitalisierung der Natur.
3. Die GAP-Direktzahlungen werden für alle Flächen ausbezahlt, auch für die stillgelegten; das heißt Basisprämie + ökologische Zusatzprämien, denn der Betriebsinhaber hat seinen ökologischen Beitrag durch die Zurverfügungstellung von 10 % seiner LN abgegolten. Nimmt er an der Stilllegung nicht teil, werden ihm alle Zahlungen gestrichen; Ökobetriebe ausgenommen, weil sie an der 10 %igen Flächenstilllegung nicht teilnehmen müssen.
4. Die nicht stillgelegten Flächen können nun voll der Erzeugung von Lebensmitteln dienen, natürlich umweltschonend in »guter fachlicher Praxis«.
5. Diese Entzerrung bedeutet, dass man weitgehend von einem Integrationsmodell Abschied nehmen und ein Segregationsmodell aufbauen muss, d. h. Landwirtschaft und Naturschutz getrennt. Immerhin werden die 10 % vollständig der Natur zu widmenden Flächen einen wirklich bedeutenden Beitrag zu einer neuen Kulturlandschaft bringen, für eine 1000 ha Gemeinde z. B. 100 ha, in Einzelstücke womöglich breit gestreut oder auch mehr auf Gebietsteile konzentriert, wo dann auch an einen engen Biotopverbund gedacht werden kann.
6. Es gibt in vielen Landschaften auch Übergangszonen von einem zu einem anderen Biotop mit meist typischen, sich gegenseitig durchdringenden Artenspektren. Sie sind zumeist auch Pufferzonen, die gegenseitig negative Einwirkungen dämpfen oder gar verhindern. Dazu gehören vor allem die Randbereiche von Gewässern (einschließlich Seen), Feuchtbiotopen, Wäldern und Feldgehölzen. Es ist notwendig, sie in ihren wichtigen Funktionen zu stärken, und dazu gehört vor allem, breitere Streifen auszuweisen und sie der landwirtschaftlichen Nutzung zu entziehen. Viel zu oft beginnen heute die Ackerfurchen direkt unmittelbar am Ufer eines Gewässers, an einem Gehölz oder am Waldesrand. Wir brauchen Pufferbreiten in der Größenordnung von 10 bis 30 m oder auch mehr, je nach Neigung des Geländes, der Bodenstabilität, Art der benachbarten landwirtschaftlichen Nutzung usw. Aus bisher linienhaften Elementen würden dadurch breite naturnahe Bandstrukturen entstehen, die sowohl die Biotopvernetzung fördern als auch das Landschaftsbild auflockern. Randlinienreichtum mit sanften Übergängen steigert den Biotop- und Artenschutzwert beträchtlich. Die benötigten Flächen dazu werden von den anliegenden landwirtschaftlichen Grundstücken »abgeschnitten« und den Eigentümern bzw. Pächtern auf ihr 10 %iges Stilllegungskonto angerechnet.
7. Die Überführung der Flächen in einen naturnäheren Zustand sowie deren Pflege übernimmt ein eigenständiger Naturpflegebetrieb, ein bisher landwirtschaftlicher Betrieb, dessen Leiter sich einer Ausbildung zum Naturpfleger unterzieht und als Dienstleister bezahlt wird. Die Hauptaufgabe des Naturpflegers wird sein, die bestehenden und die neu zu bildenden natürlichen bzw. naturnahen Flächen in der Entwicklung und Pflege zu steuern, evtl. nicht nur auf seiner Gemarkung, sondern auch auf benachbarte Gebiete ausgedehnt, je nach Umfang des dafür benötigten Arbeitsaufwandes. Das muss individuell und ortsbezogen geregelt werden. Daneben könnte er auch einige seiner LN‑Flächen naturnah wie einst bewirtschaften, um die Vielfalt von früher zu bewahren, also ein Stück Museumslandwirtschaft oder – wem der Begriff zu verstaubt klingt – als einen Beitrag zur Erhaltung des kulturellen Erbes. Dabei kann er auch traditionelle Tierhaltung betreiben, z. B. mit einer Schaf- und Ziegenherde, um extensive Nutzungsformen weiterzuführen.
8. Nun können die finanziellen Mittel der bisherigen ökologischen Auflagen und Unterstützungen, z. B. durch GAP oder Länderprogramme, zum großen Teil für die Ausgestaltung einer endlich wieder möglich werdenden Naturnähe unserer Landschaften verwendet werden.
9. Die Umnutzung von 10 % der LN‑Flächen ist eine große organisatorische Aufgabe, die einer Institution bedarf, welche Erfahrung hat mit der Gestaltung des ländlichen Raumes. Es sind dies vor allem die Nachfolger der früheren Flurbereinigungsämter, die nun in den einzelnen Bundesländern umbenannt sind in Ämter für Ländliche Entwicklung, Landentwicklung, Flurneuordnung usw. Nachfolgend werden sie einheitlich als Landentwicklungsämter bezeichnet. Dabei wird unter Landentwicklung die Förderung aller für die Gesellschaft wichtigen Funktionen des ländlichen Raumes verstanden. Die Landentwicklungsämter wurden in den letzten Jahrzehnten personell stark abgebaut. Die vorgestellte Aufgabe müsste mit einer Aufstockung ihrer Fachkräfte einhergehen. Vermessungstechnisch aufwendige Grundstückszusammenlegungen fallen
dabei weniger an, doch umso mehr Steuerungsmaßnahmen im Bereich des Naturschutzes, der Landwirtschaft und der Landschaftspflege. Notwendig ist die personelle Stärkung dieser Bereiche.
10. In denjenigen Gemarkungen, die heute oder in Zukunft in ein Flurbereinigungsverfahren einbezogen sind, können Flurbereinigung und die 10 %ige Flächenstilllegung miteinander gekoppelt werden. Das ergäbe eine optimale Gestaltung der neuen Kulturlandschaft.
11. Eine breitere Aufgabenverteilung, nun auf die drei Ämter Landentwicklungsamt, Landwirtschaftsamt und Naturschutzbehörde verteilt, ergäbe eine wesentliche Entlastung; d. h. für die Landwirtschaftsämter einen rigorosen Abbau der zuletzt bis in die kleinsten Details ausgearteten Antrags- und Überwachungsbürokratie und für die Naturschutzbehörden eine Konzentration auf ihre Schwerpunktaufgaben, vor allem auf die Schutzgebietsausweisung und -betreuung. Die Landentwicklungsämter steuern die Stilllegung mit fachlicher Beratung der Landwirte, planen die neue Landschaftsstruktur, setzen diese mit den Naturpflegern um und betreuen auch danach die Renaturierung, wobei der Biotopverbund durch spätere Grundstückskäufe erweitert werden kann. Ihre Vor-Ort-Präsenz stärkt auch das Verstehen und Vertrauen der Bürger mit einem neu erwachenden Naturbewusstsein. Die bisherige Naturschutzbürokratie konnten die Bürger nicht mehr begreifen und damit verschwand auch bei vielen das Interesse an einer naturreichen Umgebung. Mit dem Wandel der Strukturen wird sich – so hoffen die Autoren – auch ein Wandel vom weitverbreiteten Desinteresse zur aktiven Naturbegeisterung vollziehen. Und damit
wächst auch wieder ein Gefühl dafür, was Heimat ist!
Der abschliessende Satz im Teil 3: Nach 35 Jahren hat sich jedoch alles noch weiter zugespitzt. Man verzeihe den Autoren, wenn in der Sprache des Alters Enttäuschung und Unmut mitschwingen. Die Lage ist zu ernst, um darüber einfach nur zu schweigen. Es geht um das Wohl zukünftiger Generationen! hat mich betroffen gemacht, da er ein ausgesprochener Experte ist und es wissen muss.
Da die europäischen Mühlen zu langsam mahlen, appeliere ich an die Landwirte 10% ihrer Fläche, gemäss dem Vorschlag von Gustav Oberholzer aus der Nutzung herauszunehmen und zwar aus Eigeninteresse um mit der Natur und nicht gegen die Natur zu wirtschaften und damit endlich das Artensterben in der breiten Fläche zu stoppen. Alles andere wird Jahre dauern, die wir vielleicht nicht mehr haben.
Stand: 15.08.2021, Eng
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Teil 1:
Fazit: Zusammenfassend muss das Ergebnis des bayerischen Volksbegehrens »Rettet die Bienen« als wenig befriedigend angesehen werden, eher als enttäuschend. Seit Jahrzehnten sterben die Arten, immer noch sind die Maßnahmen dagegen viel zu zögerlich, und ein Ende ist nicht abzusehen. Auch viele Landschaftsplaner müssen dies eingestehen: »Die Gesamtsituation der Umwelt – oder im Duktus der Landschaftsplanung: der Zustand der Landschaftsfunktionen – sieht schlechter aus denn je. Darüber dürfen Einzelerfolge nicht hinwegtäuschen. Viele Indikatoren im Rahmen von Nachhaltigkeits- und Biodiversitätsstrategien sprechen […] eine klare Sprache: Ziel und Wirklichkeit klaffen weit auseinander, die Ziele sind mit der momentanen Handlungsgeschwindigkeit unerreichbar. Das liegt einerseits möglicherweise an einer Ineffizienz der landschaftspflegerischen Instrumente, weit mehr aber an einem mangelnden gesellschaftlichen Willen zur Umsetzung der Naturschutzerfordernisse.« (Jedicke et al. 2016, S. 519)
Gustav Oberholzer wuchs vor über 70 Jahren auf dem landwirtschaftlichen Betrieb seines Großvaters im südbadischen Markgräflerland auf. Produziert wurde vor allem Getreide, Hackfrüchte, Obst, Gemüse, Wein und Milch, mit Tieranspannung, eigenem Wirtschaftsdünger, mechanischer Unkrautbekämpfung, die Reben allerdings geschützt mit Kupfervitriol und Schwefel, Holz aus dem eigenen Wald diente zum Kochen und Heizen. Insgesamt war es wahrlich noch eine nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung! Naturschutzauflagen waren völlig unbekannt, und dennoch grünte und blühte die Natur in großer Vielfalt und Pracht. Auf bunten Wiesen konnten noch »klassische« Feldblumensträuße gepflückt werden. Heute soll ein Landwirt nach dem Kulturlandschaftsprogramm letzte blühende Wildarten auf seinem Grünland suchen; findet er vier besondere, so bekommt er dafür 250 €/ha. Ein toter Obstbaum bringt ihm 8 €.
Teil 2
Fazit: Das ist nun der Vorschlag. Es ist ein generalistischer Entwurf, der noch viel Spezialisten-Detailarbeit erforderlich macht. Die Skepsis, die den Autoren bisher entgegenschlug, war groß: Kann überhaupt so etwas im Rahmen der Europäischen Union mit ihren 27 Mitgliedsstaaten verwirklicht werden, wo sie doch in vielen Fragen so zerstritten und wo doch zumeist Einstimmigkeit notwendig ist? Doch der Entwurf fügt sich in die GAP-Ausgaben dann ein, wenn man den einzelnen Staaten einen gewissen Spielraum lässt!
Kann man eine Zustimmung der Landwirtschaft erwarten, wo doch die Agrarpolitik der Bundesrepublik beherrscht wird durch ein enges Lobby-Geflecht zwischen Landwirtschaft, Zulieferfirmen (Gerätehersteller, Chemische Industrie), Nahrungsmittelindustrie und marktbeherrschenden Handelsketten und wo selbst viele Funktionäre der Landwirtschaft noch zu immer mehr industrieller Ausprägung tendieren? Ja, dieser Einwand wiegt schwer, denn diese mächtige Lobby ist nur zu wenigen ökologischen Zugeständnissen bereit, wenn, dann vor allem, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen. Die Ernährungsindustrie bevorzugt eine Landwirtschaft, die zu viel produziert. Sie kann dann die Preise drücken, um das Export-Geschäft anzukurbeln und um unsere Bevölkerung mit billigen Produkten zu versorgen, so wie es die Mehrheit wünscht. Diese plädiert zwar auch für Bio-Landwirtschaft und Naturschutz, doch vor allem nur in Worten, denen keine Taten folgen. Es sind die großen Widersprüche, die unsere Gesellschaft heute prägen! Deshalb bleiben die Autoren skeptisch, ob ihre Gedanken auf fruchtbaren Boden fallen werden. Doch Resignation wäre der falsche Weg, »Mit Mut voran!« ist der bessere!
Teil 3
Abschliessendes Fazit: Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine fast dreifache Negierung der Belange der Honigbiene und ihres Lebensraumes vorliegt. Das kann so nicht bleiben! Dies ist auch nicht im Sinne der vielen Menschen, die das Volksbegehren »Rettet die Bienen« unterschrieben und dabei vor allem an die allbekannte Honigbiene gedacht haben.
Die Flurbereinigungsverwaltungen haben sich in den letzten Jahrzehnten bemüht, auch die Belange des Naturschutzes stärker mit einzubeziehen, doch ist die Flurbereinigung vorwiegend ein agrarpolitisches Handlungsinstrument geblieben, auch wenn ständig die Gleichgewichtigkeit von Ökonomie und Ökologie betont wird. Der Vergleich der dafür jeweils aufgewandten Ausführungskosten zeigt ein anderes Bild. Die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Nachhaltige Landentwicklung hat 2016 ein Heft über »Landentwicklung und Naturschutz« vorgelegt, in dem sie ihre Bemühungen darstellt, dabei jedoch gesteht, dass doch nicht alles so gut gelaufen ist, wie es immer verkündet wurde. Schon im Vorwort heißt es, dass dieses Heft den Beitrag der Landentwicklung aufzeigen soll, »um den dramatischen Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen und eine positive Entwicklung einzuleiten«. Und später wird dann gesagt: »Der Verlust an Arten und Lebensräumen schreitet insbesondere in der Agrarlandschaft dramatisch voran. Wesentliche Ursache für den Rückgang heimischer Tier- und Pflanzenarten sind die Verarmung und der Verlust der Lebensräume. Es verschwinden aber nicht nur typische Begleitarten, sondern auch alte Kultursorten und -rassen. Konzepte und Umsetzungsinstrumente der ländlichen Entwicklung sind gefordert, die fortschreitende Verarmung der biologischen Vielfalt in der Kulturlandschaft aufzuhalten. […] Maßnahmen von Naturschutz und Landschaftspflege müssen nachhaltiger und ökonomisch tragfähiger gestaltet werden, wenn sie die ihnen von der Gesellschaft zugedachten Aufgaben langfristig erfüllen sollen.« (ArgeLandentwicklung 2016, S. 32 f.)
Die vorgeführten Beispiele beschränken sich vor allem auf die Verbesserung von Feuchtgebieten, d. h. auf die Schaffung zusammenhängender und geeigneter Grundstücksstrukturen um Seen, an Gewässern und in Moorgebieten, dann auf die Sicherung von montanem Grünland, und vielfach auch auf die Kompensation von Eingriffen, was jedoch für den Naturschutz keinen Mehrwert bringt. Es sind insgesamt vor allem Maßnahmen außerhalb der großflächigen Intensivagrargebiete, also in deren
Randgebieten. Sie leisten meist kleinflächig zwar auch einen ökologischen Beitrag, doch beeinflussen sie die kritische Gesamtsituation nicht wesentlich.
Spezielle Beiträge, wie auch die Belange der Bienen und die Interessen der Imkerei durch die Landentwicklung wirkungsvoll unterstützt werden könnten, fehlen bis jetzt. Eine vertiefte Planung müsste dazu entwickelt werden, mit ihren wichtigsten Schritten: Problemstellung und Gebietsabgrenzung, Bestandsaufnahme und -analyse (Ist), Zielfindung (Soll), Soll-Ist-Vergleich (Mängelanalyse), Entwicklung alternativer Planungen mit Prognosen, ihre Bewertung durch Planer, Experten, Betroffene und Entscheidungsträger und schlussendlich die Entscheidung, d. h. die Auswahl des optimalen Planungskonzepts. Dabei wird es natürlich eine schwierige Aufgabe sein, die speziellen Ziele in die Gesamtheit aller Zielkriterien für eine ganzheitliche Simultanplanung der Kulturlandschaft einzubinden.
Die einst angedachte Idee einer engen Aktivitätsverknüpfung zur Förderung von Honigbiene, Bienenweide und Imker müsste noch einmal aufgegriffen und an Musterbeispielen erprobt werden. Dabei sollten auch Vertreter des Naturschutzes davon überzeugt werden, dass auch sie in der Verantwortung stehen, die Lebensgrundlage der Honigbiene nicht außer Acht zu lassen. Die Honigbiene ist besonders dank ihres großen Aktionsradius wahrscheinlich das wichtigste Bestäubungsinsekt auch der Wildpflanzen und somit wesentlich für die Basis vieler Ökosysteme. Auch dies wäre einmal wissenschaftlich vertieft zu untersuchen. Damit könnten auch die im Infokompendium (StMELF 2020b) formulierten Ansprüche endlich umgesetzt werden. Eine Umgestaltung der Agrarlandschaft, wie in Teil II vorgeschlagen, brächte natürlich viel wirkungsvollere neue Möglichkeiten!
Nun muss aber realistisch eingeschätzt werden, dass unter den gegenwärtigen agrar- und naturschutzpolitischen Bedingungen keine großen Erfolge zu erwarten sind. Überdies ist für die Intensivagrargebiete die Flurbereinigung zumindest in Westdeutschland weitgehend abgeschlossen. Dass das »Offenland« dennoch naturnäher gestaltet werden könnte und das noch freiwillig, wie es die Bayerische Staatsregierung als Antwort auf das Volksbegehren »Rettet die Bienen« erhofft, ist realitätsfremd (hierzu ausführlich Krack und Oberholzer 2020). Es fehlt dazu einfach das Land, das wieder der Natur zugeführt werden könnte.
In der Begründung des Volksbegehrens »Artenvielfalt und Naturschönheiten in Bayern – Rettet die Bienen!« wird deutlich herausgestellt, dass vor allem der übermäßige Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden sowie die strukturelle Verarmung der Landschaft als Hauptursachen des Artenrückgangs und des Insektensterbens verantwortlich sind (Bay. Landtagsdrucksache 18/1736 vom 18.04.2019, S. 6). Auf die Intensität der Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzungsflächen (Acker und Grünland) hat die Flurbereinigung mit den ihr zur Verfügung stehenden Neuordnungsmaßnahmen jedoch kaum Einfluss, und sie kann angesichts der deutschlandweiten Neuordnungsleistung von unter 150.000 ha pro Jahr nur einen kleinen Beitrag zur insgesamt notwendigen Renaturierung der ausgeräumten Agrarlandschaften leisten. Notwendig ist eine tiefgreifende Neuorientierung in der Kulturlandschaftsentwicklung. Einen Vorschlag dazu haben die Autoren in einer Lang- (Krack und Oberholzer 2019) und Kurzfassung (Krack und Oberholzer 2021) vorgelegt und den Behörden der Landentwicklung dabei wieder eine größere Bedeutung zugeordnet. Dabei wird zwar auch die Freiwilligkeit betont, jedoch unter erheblichem finanziellem Druck der Subventionsgeber.
Wer den neuesten Bericht der Bundesregierung vom Mai 2020 über »Die Lage der Natur in Deutschland« (BMU 2020) aufmerksam liest, muss sich betroffen fühlen. Bereits 1986 wurde die Konfliktsituation geschildert, eine Wende angemahnt und die in Abb. 4 wiedergegebene Grafik veröffentlicht (Oberholzer 1986). Nach 35 Jahren hat sich jedoch alles noch weiter zugespitzt. Man verzeihe den Autoren, wenn in der Sprache des Alters Enttäuschung und Unmut mitschwingen. Die Lage ist zu ernst, um darüber einfach nur zu schweigen. Es geht um das Wohl zukünftiger Generationen!